…das Problem mit der Dominanz
Kein anderes menschliches Konzept ist so sehr auf die Hundewelt übergegangen, wie das der Dominanz. Immer wieder wird „Dominanz“ im TV-Hundetraining als Erklärung für Problemverhalten hergenommen und die Ratschläge, um das Problem in den Griff zu bekommen, basieren auf der angeblich bestehenden Rangordnung zwischen Mensch und Hund.
Gehen wir dieser Rangordnungsgeschichte auf den Grund, merken wir schnell, dass der Begriff „Dominanz“ in der Erziehung von Hunden eigentlich nichts verloren hat: Hintergedanke ist, dass Hund und Mensch vermeintlich ein Rudel bilden, was schon längst wissenschaftlich widerlegt wurde (siehe z.B. David Mech, der wesentlich an der Entstehung des Begriffs „Alpha“ beteiligt war, und Jahre später seine Theorie selbst wieder als falsch zurückzog). Dominanz kann sich nur innerartlich entwickeln, also definitiv nicht zwischen Mensch und Hund. Diese Information scheint nur noch nicht bis zu den meisten Hundetrainern im Fernsehen durchgedrungen zu sein… Basierend auf der Dominanztheorie gibt es nun immer einen Rudelchef; und hier scheint es nur zwei Möglichkeiten zu geben: entweder man ist als Mensch der Chef oder - und das scheint die Wurzel allen Übels zu sein - der Hund sieht seine Chance und legt sein ganzes Leben darauf aus, die Herrschaft über Mensch und Haus zu übernehmen und strebt ab sofort nach dem Rang des Alphas. Voraussetzung dafür: der Hund hat extrem gute kognitive Fähigkeiten, schließlich muss so ein Aufstieg in der Hierarchie minutiös geplant werden. Ob hund dazu in der Lage ist, sei jetzt mal so dahingestellt…
Liedermacherin Maja Nowak hat das "Potential" der Rangordnung erkannt und diese gleich für ihre Sendung „Die Hundeflüsterin“ als Grundlage hergenommen. Sie geht von einer vererbten Rudelstellung aus - nach dieser „Lehre“ hat jeder Hund eine „Geburtsstellung“ und sein Verhalten ist dadurch vorherbestimmt. „Extrem realitätsfremd“ meint Hundeforscher Günther Bloch dazu, sogar Wikipedia nennt das alles „eine Pseudowissenschaft mit kommerziellem Motiv“, nichtsdestotrotz rudelt die Hundeflüsterin in der Sendung fröhlich weiter vor sich hin. Nowaks Ratschläge beruhen darauf, dass der Mensch die Führung übernehmen muss, wenn nötig auch mit körperlicher Bedrängnis oder mit Zischlauten und ruckartigen Handbewegungen. Das Ganze sieht dann des Öfteren so aus: „Schieb ihn zurück“, „Geh auf ihn zu, bis er zurückgeht“ gefolgt von „Jetzt hör auf, er würde jetzt langsam anfangen, dich zu beißen“ („Die Hundeflüsterin“, Maja Nowak und der hilflose Anführer). Warum der Hund in der Situation beißen würde? Weil er dominant ist, und seine Stellung im Rudel beanspruchen will? Wohl eher weniger, er fühlt sich schlicht und ergreifend bedrängt und reagiert aus Hundesicht angemessen darauf. Das oft als „dominant“ bezeichnete aggressive Verhalten der meisten „Problemhunde“ ist als angstaggressives Verhalten einzustufen. Bedrängt man in dieser ohnehin bereits stressigen Situation den Hund noch zusätzlich, sollte eigentlich der gesunde Menschenverstand rufen: „Halt, das kann nur nach hinten losgehen…!“
Aber Frau Nowak ist nicht die einzige TV-Hundetrainerin, die sich die Geschichte mit der Dominanz zunutze macht - schlimmer geht immer! Einer der bekanntesten Befürworter und Verbreiter der Dominanztheorie ist Cesar Millan. Der selbsternannte Trainer (oder „Resozialisierer“) schwört auf Dominanz als Wurzel allen Übels. Da reicht es nicht, diese Theorie im Fernsehen zu verbreiten, nein, da muss ein ganzes Buch her, das auf der Dominanzgeschichte beruht („Du bist der Rudelführer“). In seinen Sendungen wirft Herr Millan ständig mit Zitaten um sich wie: „Der Hund braucht eine starke Führung“, „Er muss unterordnungsbereit sein“, „Das Wichtigste ist, dass wir ihnen jeden Tag zeigen, dass wir Rudelführer sind!“ (frei übersetzt aus dem Englischen). Und das Ganze solle man mit der richtigen „Energie“ durchsetzen (was im Klartext heißt: bedränge und bedrohe deinen Hund sowohl körperlich, als auch psychisch).
Richtig furchtbar wird die ganze Geschichte mit der Dominanz und den Rudelführerphilosophien vor allem dann, wenn mensch sie als Rechtfertigung nimmt, um aversive Trainingsmethoden und Erziehungshilfen zu verteidigen. Dabei wird Homo Sapiens (der „vernunftbegabte“ Mensch…) richtig kreativ: Rütteldose, Nackenschütteln, Alphawurf etc. Immer wieder hört man in TV-Sendungen, dass man aggressivem Problemverhalten bei Hunden nur mit Erziehungsmethoden basierend auf der Dominanztheorie entgegenwirken kann. Und hier wird es gefährlich. Wer Probleme bereits durch die Dominanzbrille sieht, greift eher zu diesen aversiven Trainingsmethoden. Dazu aber mehr in späteren Artikeln.
Sollte so ein veraltetes Konzept durch die Medien weiter verbreitet werden?
Meine ganz persönliche Meinung? Wo Wissen endet, fängt Gewalt an. Da ist es doch sehr praktisch, dass man sich so etwas wie Dominanz als Grundlage dafür nehmen kann, um Gewalt in der Hundeerziehung zu rechtfertigen. Und, ganz unter uns gesagt, die Macht, die wir Menschen dadurch ausüben, darf man auch nicht unterschätzen. Wie gut muss sich das für den Einen oder Anderen anfühlen, wenn man so ein hilfloses Tier dominieren kann?
Unser Appell: Lasst uns gemeinsam versuchen, Labels wie „Der ist dominant“ nicht mehr zu benutzen, und uns stattdessen zu überlegen, was tatsächlich hinter einem Problemverhalten steckt und wie wir über Training mit positiver Bestärkung daran arbeiten können! Warum? Weil wir es können…!
- Nina