Fehlverhalten herausfordern um es dann korrigieren zu können.
Stellen Sie sich folgende Situation vor:
Ihr Kind will vor dem Essen einen Schokoladenkeks haben. Sie sagen natürlich „Nein“, stellen den Keksteller genau vor seiner Nase auf den Tisch und verlassen den Raum. Nach minutenlangem Zappeln hält das Kind es nicht mehr länger aus und greift sich einen Keks. Just in dem Moment springen Sie hinter der Küchentüre hervor, um dem Kind die verdiente Strafe zu geben. Immerhin hat es ja etwas falsch gemacht!
Sehen wir uns das ganze aus trainerischer Sicht an: Das Kind wurde absichtlich in eine Situation gebracht, die es nicht meistern konnte, nur um es anschließend für sein Versagen bestrafen zu können. In der modernen Kindererziehung ein no-go.
Doch leider sieht es bei vielen Hundetrainern noch genau so aus. Hunde werden in zu schwierige Situationen geführt; Hundeführer und Hundetrainer warten auf die falsche Reaktion des Hundes, nur um diese dann korrigieren zu können. Die Korrektur selbst kann sehr unterschiedlich sein, es reicht von Anschreien über Leinenruck, Treten oder Schlagen bis hin zum Einsatz von Elektroschockhalsbändern.
Aber was lernt der Hund daraus? Bzw. lernt er überhaupt etwas daraus?
Nehmen wir folgendes Beispiel: Paula reagiert auf jeden Hund, der ihr zu nahe kommt, mit lautem bellen und knurren. Sie fühlt sich sichtlich nicht wohl und versucht damit mehr Distanz zwischen sich und den anderen Hund zu bringen. Aus Sicht der meisten Menschen ein klassisches Fehlverhalten. Paulas Menschen suchen Hilfe bei einem Hundetrainer. Dieser schnappt sich Paula und geht frontal auf den nächsten Hund zu. Sobald sie „ausflippt“ bekommt sie einen Leinenruck.
Dass so eine Situation extremen Stress für einen Hund bedeutet, muss wohl nicht extra gesagt werden. Bei akutem Stress werden massiv viele Stresshormone ausgeschüttet. Es kann zum sogenannten fight or flight Syndrom kommen: der Hund versucht anzugreifen oder zu flüchten. Das logische Denken wird durch die Stresshormone ausgeschaltet, Gefühle und Emotionen übernehmen die Oberhand. Ein Lernen ist daher an diesem Punkt kaum mehr möglich – auch nicht durch eine Korrektur.
Ein guter Hundetrainer bringt einen Hund nicht absichtlich in Situationen, in denen er Fehler macht, nur um diese dann zu korrigieren. Den besten Trainingserfolg kann man erzielen, wenn das Training so aufgebaut wird, dass der Hund das „Fehlverhalten“ gar nicht erst zeigen „muss“. Somit kann man als Mensch erwünschtes Verhalten in einer sehr hohen Rate belohnen und der Hund lernt stressfrei Alternativverhalten zu zeigen.
Dafür müssen Trainingssituationen für Hund und Mensch überschaubar und vorhersehbar gestaltet werden. Eine Steigerung des Schwierigkeitsgrades muss langsam und an den jeweiligen Hund angepasst erfolgen. Probleme, die bereits seit einiger Zeit bestehen, lassen sich nicht über Nacht lösen!
Durch ein richtig aufgebautes positives Training lernt der Hund nicht nur angemessen mit schwierigen Situationen umzugehen, sondern es wird auch eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Hund und Mensch geschaffen. Und was gibt es besseres als die Gewissheit, dass man alle gestellten Aufgaben gemeinsam mit Spaß und Freude meistern kann?
- Conny und Karin
Buchtipp:
„Die Welt in seinem Kopf“ von Dorothée Schneider