Aggressionen und „Red Zone“ Dogs!
Tagtäglich sind viele Hundebesitzer und Hundetrainer, Menschen, die Hundebesitzer kennen, aber auch hundelose Menschen mit aggressiven Hunden konfrontiert, Hunde, die randalierend in die Leine springen, andere Hunde und Menschen verbellen und nach ihnen schnappen. Ständig liest und hört man in den Medien von Hunden, die beißen, verletzen, nahezu unkontrollierbar aggressiv sind. In diversen Hundesendungen werden reaktive Hunde trainiert und sogenannte „Red Zone“ Dogs rehabilitiert. Wer die Aggressionen seines Hundes nicht unterbindet, riskiert, dass dieser eine Gefahr für andere darstellt. Aber ist das wirklich so? Wieso haben wir so große Angst davor, dass ein Hund aggressiv sein könnte? Der Begriff Aggression ist in unserer Gesellschaft sehr negativ behaftet, können die Auswirkungen auch gravierend oder zumindest beunruhigend sein. Das wird uns durch die Medien auch ständig vor Augen geführt. Innerhalb der Psychotherapie wird die Aggression jedoch auch als eine Form der Erregung beschrieben, die z. B. dazu dient, Hindernisse zu beseitigen, oder Neues aus der Umwelt für den Organismus anwendbar zu machen. Destruktiv oder zu Gewalt wird die Aggression erst unter bestimmten äußeren oder inneren Bedingungen. Menschen können andere Menschen verletzen, tun dies aber in den seltensten Fällen. Dasselbe gilt auch für unsere Hunde, die meisten Hunde haben überhaupt keinen Grund dazu, jemanden zu verletzen.
Aggression gehört zum ganz normalen Verhaltensrepertoire bei Tier und Mensch. Sie ist ein in Tieren (einschließlich dem Menschen) verankertes, biologisch fundiertes Verhaltensmuster zur Verteidigung und Gewinnung von Ressourcen sowie zur Bewältigung potenziell gefährlicher Situationen. Dazu gehören jedoch nicht nur physische Gewalt, sondern auch psychische Aggressionen (Drohungen, verbale Aggressionen).
Genau wie bei uns Menschen, hängt die Bereitschaft, offensiv aggressives Verhalten zu zeigen, auch bei Hunden von verschiedenen Faktoren ab. Ein kleiner Teil ist, wie vieles andere in unserem Leben auch, genetisch bedingt. Zum Glück sind wir keine Marionetten unserer Gene, denn eine wesentlich größere Rolle spielen die Erfahrungen, die wir in unserem Leben machen. Aggression wird, wie alle anderen komplexen Verhaltensweisen auch, erlernt. Unter Lernen versteht man die Fähigkeit, Verhalten, Gedanken und Gefühle u.a. aufgrund von Erfahrungen verändern zu können. Damit können wir uns den Gegebenheiten des Lebens und der Umwelt besser anpassen. Hunde, die aggressives Verhalten zeigen, haben also gelernt, dass ein solches Verhalten eine Erleichterung der Situation bringt, sei es nun durch mehr Distanz zum Auslöser der Aggression oder einfach nur zum „Dampf ablassen“. Das bedeutet aber auch, dass sie gelernt haben, dass andere Verhaltensweisen diesen Effekt nicht bringen oder aber sie wissen überhaupt nicht, wie sie anders reagieren können. Natürlich sollte man jegliche Anzeichen von „aggressivem“ Verhalten ernst nehmen, denn Hunde können verletzen und wir stehen nicht nur unseren Hunden gegenüber in der Verantwortung, sondern auch unseren Mitmenschen. Offensiv aggressive Hunde sind nicht gern gesehen und nicht nur der Hund, sondern auch der Mensch dahinter, wird skeptisch oder gar verächtlich beäugt. Es muss etwas getan werden, eine schnelle Lösung muss her. Ist es doch augenscheinlich sehr einfach, den Hund durch klare Ansagen in seine Schranken zu verweisen. Ein paar Leinenrucke, den Hund ein paar Mal gepiekt und getreten und schon zeigt er keine Reaktion mehr. Je nach Heftigkeit der Reaktion des Hundes, muss auch der Mensch diese Bestrafungen mit zum Teil sehr viel Energie ausführen. Aggression wird also mit Aggression bekämpft und binnen Minuten ist das Problem augenscheinlich gelöst. Schnell vergisst man dabei aber, über die Hintergründe nachzudenken. Reagieren unsere Hunde aggressiv in einer Situation, bellen, schnappen oder beißen gar, zeigt uns dies, dass sie großen Stress haben. Die Aggression ist nur ein Ausdruck davon. Der Begriff „Red Zone“- Dogs, der Hunde bezeichnet, die scheinbar unkontrollierbar sind und zum Teil tatsächlich eine Gefahr darstellen, rechtfertigt die Anwendung von brutalen Methoden. Indem man sie gefügig und willenlos macht, richten sie keinen Schaden mehr an, sofern der Trainer oder Hundehalter jegliche aufkeimende Gegenwehr (aus Hundesicht, oft der Versuch, Bestrafungen zu entgehen) erkennt und diese im Keim erstickt.
Dem Hund wird jegliches Recht auf Selbstbestimmung und eigene Entscheidungen genommen, Versuche, sich seiner Umwelt mitzuteilen unterbunden, aber auch jegliche Möglichkeit, sich stressauslösenden Reizen zu entziehen. Viele Hunde geben sämtliche Gegenwehr relativ schnell auf und bleiben den Rest ihres Lebens unauffällig, sie gelten als rehabilitiert, werden von der Gesellschaft als gut erzogen angesehen. In Wahrheit sind sie fremdbestimmt und ständig bemüht, nichts falsch zu machen. Ein Zustand, der permanenten Stress und extreme Hilflosigkeit bedeutet. Innerlich summieren sich Stress und innerer Widerstand, rein äußerlich sieht man dem Hund nichts an, denn teilt er sich seiner Umwelt mit, wird er entweder dafür bestraft oder ignoriert (Beschwichtigungssignale, Zeichen der Unsicherheit). Hunde genauso wie wir Menschen können nur ein begrenztes Maß an Gewalt, Druck und Leid ertragen. Manche ziehen sich zurück und leiden innerlich, die Folge können gesundheitliche Probleme sein, andere gehen nach vorne und entladen aufgestauten Frust in einem plötzlichen, unvorhersehbaren Aggressionsausbruch mit zum Teil verheerenden Folgen.
Aus dem Wissen über die Entstehung von zwischenmenschlicher Aggression wurden einige Ansätze zu deren Vermeidung entwickelt. Zu den erfolgreichen Strategien gehören: Förderung der Empathie-fähigkeit, Förderung sozialer Fähigkeiten, gute Vorbilder, Mediation und gewaltfreie Kommunikation. Jeder weiß, dass Aggressionen und Gewalt hier nicht zielführend sind. Dasselbe gilt auch für andere Lebewesen, denn die Grundlage des Lernverhaltens ist bei allen dieselbe. Für den Hundebesitzer und –trainer bedeutet dies, seinem Hund in erster Linie Verständnis entgegenzubringen. Die Ursachen und Auslöser der Aggression müssen erforscht werden und gemeinsam mit einem qualifizierten und gut ausgebildeten Hundetrainer nach gewaltfreien Lösungen gesucht werden. Das Training mittels positiver Bestärkung zeigt dem Hund Alternativen zu seinen bisherigen Problemlösungsstrategien. In der Erziehung von Kindern, aber auch in der Aggressionstherapie weiß man schon lange, dass Gewalt und aggressives Verhalten diese nur fördert, dasselbe gilt auch für unsere Hunde. Don´t complain, train!
- Elke
Quellen: Wikipedia, www.spektrum.de, www.cesarsway.com