Unterwerfen des Hundes – Sinn oder Unsinn
Das Unterwerfen des Hundes wird wie einige andere Maßnahmen (Leinenruck, Würgehalsbänder und –leinen, Schläge und Tritte, …) von vielen Hundetrainern und Besitzern als notwendiges und wirksames Mittel der Erziehung eines Hundes angesehen. Darunter versteht man in der Regel, den Hund aktiv auf den Rücken zu drehen. Für andere bedeutet es, den Hund in eine andere unterwürfige Position zu bringen. Welche Auswirkungen haben Trainingsmethoden wie diese und wie beeinflussen sie die Beziehung zwischen Mensch und Hund?
Hunde unterwerfen sich in verschiedenen Situationen, dieses Verhalten gehört zu ihrem ganz normalen Verhaltensrepertoire und das kann man bereits bei Welpen beobachten. Eine Mutterhündin setzt ihren Welpen, wenn sie es gar übertreiben, Grenzen, indem sie abschnappt oder wenn nötig dem Welpen mit ihrem Maul über die Schnauze beißt und diesen kurz fixiert. Dabei geht sie aber immer nur so weit, wie es nötig ist, damit der Welpe die Rüge versteht. Nicht jeder Welpe unterwirft sich in solch einer Situation. Die Mutterhündin strebt diese Antwort auch nicht an, ihr genügt es, wenn der Kleine kurz innehält, danach lässt sie ihn wieder gehen. Dieses Verhalten der Mutterhündin kann man bei erwachsenen Hunden kaum bis gar nicht beobachten.
Indem sie sich auf den Rücken legen, signalisieren Hunde ihrem Gegenüber, dass sie keinen Streit möchten, es wirkt bei aufkommenden Spannungen deeskalierend und beugt Auseinandersetzungen vor. Häufig kann man dieses Verhalten bei sehr unsicheren Hunden beobachten. Manche unterwerfen sich bei jeder Begrüßung oder jedem Aufeinandertreffen mit anderen Hunden. Selbstbewusste und gut sozialisierte Hunde deeskalieren durch andere Beschwichtigungssignale wie beispielsweise Kopf abwenden oder einfrieren (ruhig stehen bleiben) und unterwerfen sich kaum bis gar nicht. Diese Hunde sind jedoch keineswegs aggressiver.
Ob sich ein Hund dem Menschen unterwirft, wird von Anhängern der Dominanztheorie als Maßstab dafür genommen, ob dieser seinen Besitzer respektiert und als "Rudelchef" akzeptiert. Das ritualisierte (regelmäßige) Unterwerfen des Hundes wird als wichtigstes Verhalten im Zusammenleben mit dem Menschen und auch mit anderen Hunden angesehen. Denn nur, wenn sich ein Hund unterwürfig zeigt, ist ein harmonisches und konfliktloses Zusammenleben möglich. Je länger der Hund in der unterwürfigen Position ausharrt, umso deutlicher erkennt er den Hundehalter als den Ranghöheren an. Die Körpersprache des Hundes wird dabei so beschrieben: der Schwanz ist am Bauch eingerollt, die Ohren angelegt wird jeglicher Blickkontakt vermieden. Im Laufe des Erziehungsprozesses sollte der Hund lernen, sich dem Halter als Erzieher zu unterwerfen. Ziel ist es, dass es nicht mehr nötig ist, den Hund auf den Rücken zu drehen, weil dieser gelernt hat, sich in bestimmten Situationen, auf einen Laut oder eine Maßregelung hin, von selbst zu unterwerfen. Das geht so weit, dass beispielsweise "Trainer" wie Cesar Milan von seinen Hunden eine permanent unterwürfige Haltung einfordert, sobald sich diese ihm nähern oder er sich ihnen nähert.
Ist es tatsächlich so, dass dies die Grundlage für eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Mensch und Hund ist? Wird der Mensch von seinem Hund mehr respektiert, wenn dieser gelernt hat, sich zu unterwerfen und eine demütige Haltung einzunehmen?
Formulierungen wie „der Hund liefert sich seinem Gegenüber vertrauensvoll ganz aus“ oder „die Autorität und der Wille des Hundehalters werden vorbehaltlos anerkannt“ verharmlosen diese Methoden und versuchen, deren Anwendung rechtzufertigen. Besonders erstere stellt in Kombination mit dem oben beschriebenem Verhalten der Unterwürfigkeit einen Widerspruch in sich dar. Gefühle wie Vertrauen und Unsicherheit gegenüber einer Person schließen sich aus.
Kennt man sich etwas mit der Körpersprache des Hundes aus, weiß man, dass weiter oben beschriebene Verhaltensweisen Zeichen der Unsicherheit und Angst sind. Der Hund versucht damit sein Gegenüber zu beschwichtigen, Spannungen zu lösen und drohende Auseinandersetzungen abzuwenden. Der Hund fühlt sich also keinesfalls wohl. Was zurück bleibt, nachdem er wieder aufstehen darf, sind Angst und Unsicherheit gegenüber dem Menschen. Legen sich Hunde in entspannten Situationen auf den Rücken und lassen sich den Bauch kraulen, vertrauen sie dem Menschen. Die Körperhaltung ist dabei sehr entspannt und locker, der Schwanz ist ebenfalls locker und nicht eingerollt. Hunde, die sich Menschen gegenüber sehr skeptisch, ängstlich oder aggressiv verhalten, legen sich nur selten bis nie auf den Rücken.
Folgendes Beispiel: Ein Hund springt auf den Tisch und schnappt sich ein Stück Wurst. Der Besitzer unterwirft den Hund als Strafe. Handelt es sich um einen sehr selbstbewussten Hund, den nichts so leicht aus der Fassung bringen kann oder wird der Hund sehr sanft auf den Rücken gedreht, bleibt der Erziehungseffekt aus, der Hund wird wieder auf den Tisch springen, jedoch in Zukunft darauf achten, dass er unbeobachtet ist. Hat der Hund den Besitzer nicht kommen gehört, erschrickt er. Erfolgt die Bestrafung im richtigen Moment und der Hund hat den Zusammenhang verstanden, wird er nicht mehr vom Tisch stehlen. Das Gefühl, sich richtig zu erschrecken, kennen die meisten Menschen. In der Regel erholt man sich davon nach ein paar Sekunden wieder. Wird man jedoch körperlich angegriffen oder bedroht wie bei einer Unterwerfung, kann ein einmaliges Erlebnis ausreichen, um den Hund zu traumatisieren. Stimmt das Timing nicht, kann der Hund die Bestrafung nicht in Zusammenhang mit seiner Tat bringen. Er weiß jedoch genau, von wem die Bestrafung kommt, Misstrauen und Angst bestimmen ab jetzt die Beziehung zum Menschen.
Wissen ist Macht, die Macht mittels gewaltfreien Trainings auf Basis von wissenschaftlichen Erkenntnissen seinem Hund ein glückliches Leben zu ermöglichen und eine vertrauensvolle Beziehung zu schaffen.
Den Hund zu unterwerfen bedeutet nicht nur, ihn körperlich zu erniedrigen, sondern ihn auch psychisch unter Druck zu setzen. Er befindet sich zumindest in Anwesenheit des Besitzers in ständiger Alarmbereitschaft, die Ungewissheit, wann die nächste Bestrafung kommen wird, kann ein Lebewesen brechen und in die erlernte Hilflosigkeit treiben. Gewalt erzeugt Gegengewalt! Bestrafungen funktionieren, richten aber in der Psyche des Tieres großen Schaden an und können das Zusammenleben mit einem Hund gefährlich machen, das gilt auch für psychische Gewalt. Sehr selbstbewusste Hunde lassen sich diese unangemessenen aus Hundesicht meist willkürlichen Bestrafungen nicht gefallen und wehren sich, wenn nötig auch mit ihren Zähnen. Dasselbe gilt für unsichere Hunde, die keinen anderen Ausweg aus der für sie bedrohlichen Situation finden. Sieht man sich Videos, in denen Hunde unterworfen werden, ohne Kommentare des Trainers an und achtet nur auf die Körpersprache des Hundes, erkennt man, dass diese oft in Panik sind. Man muss sich nur in die Lage des Hundes versetzen und sich vorstellen von einem unbekannten Menschen oder noch schlimmer einem Menschen, dem man vertraut, so behandelt bzw. gequält zu werden. Wie würde man sich fühlen? Stehen Gefühle wie Vertrauen, Sicherheit oder Angst, Panik, Misstrauen im Vordergrund? Wie würde man selbst in so einer Situation reagieren? Ich persönlich würde mich auch wehren. - Elke
Beispielvideo: https://www.youtube.com/watch?v=j7KreUm_5dE