Show vs. Realität
Wie realistisch ist das Training eigentlich, das uns tagtäglich im Fernsehen präsentiert wird? Alles andere als realitätsnah! Es ist eine komplette Illusion, dass ein Hund, der gerade noch beißt, jagt oder auf andere Hunde losgeht, innerhalb einer Stunde nachhaltig trainiert wird.
Was so aussieht, als könnte sich ein Problem binnen kurzer Zeit in Luft auflösen, ist eine Show für ein Millionenpublikum! Hunde für Fernseh- und Liveshows werden oft gezielt ausgewählt und vorbereitet. Die Methoden in der Vorbereitung sind oft noch schrecklicher als das, was dann im Fernsehen gezeigt wird. Das, was man zu sehen bekommt, ist nicht der tatsächliche Trainingsverlauf, sondern aneinander geschnittene Szenen. Das hat nichts mit realem Hundetraining zu tun. Umso enttäuschter sind manche Hundebesitzer, die zu uns kommen und dann erfahren, dass zu hochwertigem Training viel mehr dazugehört: nämlich eine gründliche Ursachenforschung, die Erfüllung der Grundbedürfnisse, Verstehen der Hundesprache seitens des Hundehalters etc.
Das Training über Bestrafung lässt die Symptome häufig rasch verschwinden - und rasch muss es gehen in einer TV-Sendung! Schnell gewöhnt man einem Hund über Strafreize die Symptome Bellen, Jagen oder Knurren ab. Das Symptom ist aber gar nicht das eigentliche Problem. Symptome zu beseitigen ist so, als würden wir bei einem Bandscheibenvorfall Schmerzmittel nehmen - die Schmerzen mögen kurzzeitig weggehen, die Ursache ist aber noch immer da und das eigentliche Problem wird mit der Zeit meist immer schlimmer.
Ein Hund knurrt, weil er sich unwohl fühlt. Bestraft man den Hund dafür - wie es so oft in diesen Shows der Fall ist - hat er ein zusätzliches Problem. Von einer Lösung entfernt man sich damit in großen Schritten. Denn die Aggression wurde nicht behandelt, sondern unterdrückt. Es brodelt im Hund. Und eventuell explodiert er eines Tages. Und das sind dann keine Schnapper mehr, sondern jene schlimmen Bisse, von denen man glaubt, dass sie ohne jeglichen Grund und ohne Vorwarnung geschehen.
Eine nachhaltige Problemlösung wäre vielmehr die Ursachenbehebung. Dafür stellt man die Frage, warum der Hund eigentlich aggressiv reagiert und in Folge beißt. Diese Ursachen können unterschiedlichster Herkunft sein: unerfüllte Grundbedürfnisse des Hundes, Krankheiten, Missverständnisse in der Kommunikation mit dem Hund oder einfach auch, dass die frühen Warnsignale des Hundes nicht erkannt wurden. Diese Ursachenbehebung braucht Zeit! Das klappt nicht innerhalb von 60 Minuten. Genau das ist aber das Bild, das wir von Hundetrainern im Fernsehen bekommen.
Vor allem, wenn wir den unglaublichen Einfluss von Cesar Millan und anderen TV-Hundetrainer-Stars auf unendlich viele Hundehalter sehen, sind wir oft mehr als frustriert. Warum besuchen wir so viele hochwertige Fortbildungen, unterrichten so viele Seminare, Vorträge, Kurse und ergreifen jede Gelegenheit, um unser Wissen zu teilen, wenn so viele Hundehalter dann aus einer Hilflosigkeit heraus doch die Tipps aus dem Fernsehen befolgen und damit so oft das Vertrauen ihres Hund nachhaltig schädigen? Das wieder zu richten ist mühsam für alle Beteiligten und hinterlässt nicht selten irreparable Schäden. In unserer täglichen Arbeit merken wir, wie erleichtert unsere Kunden sind, wenn sie den Hund nicht mehr am Würger hochreißen oder mit Schreckreizen verängstigen müssen, wenn sie am Spaziergang einem anderen Hund begegnen. Wenn sie merken, dass es vernünftigere und hundefreundlichere Methoden gibt, um einen Hund zu trainieren. Viele Menschen haben verlernt, sich hinsichtlich ihres Hundes auf ihr Gefühl zu verlassen, den Hund zu beobachten und darauf zu achten, was ihm gut tut.
Daher unsere Bitte: Seid euch dessen bewusst, dass das, was im Fernsehen gezeigt wird, nur eine Show ist! Das hat mit gutem und tierschutzqualifiziertem Hundetraining nichts zu tun. Das, was im Fernsehen gezeigt wird, ist in Österreich (nicht ohne Grund) oft verboten, kann binnen kürzester Zeit jegliches Vertrauen, das eure Hunde in euch hatten, zerstören und zu tickenden Zeitbomben führen. Sucht auch nicht nach Tipps in Facebook-Gruppen, sondern wendet euch an einen qualifizierten Trainer, der euch und euren Hunden persönlich weiterhilft!
- Anna